Wie man einen Hund entsprechend seiner Individualität ausbildet und formt, kann ich nicht mal eben in ein paar Zeilen schreiben. So etwas lässt sich auch kaum verallgemeinern. Die Grundzüge in bezug auf die Gabe bzw. den Abbau von Leckerligaben haben Cindy und Anja treffend formuliert.
Ich habe schwerpunktmäßig mit meiner Stimme gearbeitet: meine Befehle habe ich immer sehr leise gegeben, meistens auch geflüstert. Das erhöht bei meinem Hund (!!) die Aufmerksamkeit auf's Höchste. Führt Bente etwas nicht so aus, wie sie es gelernt hat, ist es wichtig herauszufinden (und das in affenartiger Geschwindigkeit) warum es nicht klappt: das ist entscheidend für die Art der Reaktion, die ich dann zeigen muss: Hat Bente es einfach akustisch nicht gehört? Hat sie keine Lust? Ist sie müde? Ist sie abgelenkt? Fühlt sie sich nicht wohl? Alles erfordert eine andere Art der Reaktion meinerseits. Da kann ich nicht pauschal sagen, ihr müsst jetzt so oder so reagieren.
Mit meiner Stimme und die Betonung, die Höhe, die Tiefe gepaart mit Blickkontakt ohne zu starren usw. habe ich bei Bente herangetastet. Jeder Hund ist ein Individuum, und was bei dem einen super klappt, da lacht sich der andere Hund u.U. halb tot darüber.
Da ich im Rollstuhl sitze und auch von da aus Bente ausgebildet habe, habe ich eine andere Perspektive auf meinen Hund, ich kann unmittelbarer arbeiten: Bente geht wenige Zentimeter von mir neben mir. Das ist etwas ganz anderes als wenn ihr als Fußgänger/Läufer mit eurem Hund unterwegs seid. Da müsst ihr zwangsweise anders arbeiten. Ich brauche quasi nur meinen Finger ausstrecken und berühre Bente schon! Ihr habe andere "Wege" zu eurem Hund (also von oben nach unten).
Bente und ich sind fast auf Augenhöhe! Das ist etwas ganz anderes, ich arbeite unmittelbarer und mir entgeht wegen dieser Unmittelbarkeit auch nicht der kleinste Fehler, den ich dann sofort korrigieren kann. Da reicht ein Blick nach links, eventuell ein leises "Guck" und Bente schaut mir in die Augen. Sie schaut nicht hoch wie das bei euren Hunden der Fall ist. Wir sind nebeneinander. Ich bekomme deshalb auch schneller eine leichte Ablenkung von ihr mit. Auch ich bin weniger abgelenkt, da ich nach vorne schaue und nur leicht meinen Kopf wenden muss und schon sehe ich sie neben mir, meistens in meinem Augenwinkel.
Das ist bei euch anders.
Ich arbeite weder mit Leinenruck, noch mit Halsband, keine Kette, keine anderen Hilfsmittel als meine - wie soll ich sagen - Persönlichkeit im Sinne einer ausdrücklichen Authentizität. Das ist wichtig! Wenn ich mit Bente arbeite bzw. ihr etwas beigebracht habe, dann nur, wenn ich "voll und ganz ich" bin (weder nervös, weil ich daran denke, was ich gleich noch alles machen muss noch zu müde, weil ich gerade von der Arbeit komme oder sonst wie). Bente blieb an der langen Leine, wenn ich das Gefühl hatte, ich bin irgendwie nicht ganz ausgeglichen. Denn dann bin ich für sie nicht authentisch als ihre Lehrmeisterin.
DAS meine ich, wenn ich sage, ich habe mit Bente anders gearbeitet. Gezaubert habe ich auch nicht, aber im Gegensatz zu meinen Rottweilern war die Ausbildung von Bente fast ein Spaziergang, weil sie eben auch sehr leichtführig ist und unglaublich willig, etwas für mich zu tun. Entscheidend ist aber natürlich auch, dass wir von Anfang an eine sehr klare Beziehung hatten. Meine Position wurde nie in Frage gestellt, sie ist die zweite unter mir mit der Konsequenz, dass sie eben auch nicht ins Bett, auf die Coach oder so darf. Auch im Spiel mit ihr (ich sitze auf dem Teppich) achte ich darauf, dass sie nie höher ist als ich. Zu einer Ausbildung/Erziehung gehören in meinen Augen eben auch diese "Kleinigkeiten", die ein klares Verhältnis ohne Grauzone für den Hund schaffen.
Da kann man geteilter Meinung sein, das ist mir klar und ich schreibe das auch nicht, um eine Diskussion loszutreten, ob der Hund nun ins Bett darf oder nicht. Ich habe für meinen Hund so entschieden und fahre sehr gut damit.
Ich habe im Urlaub in Warnemünde es Bente zweimal erlaubt mit auf das Sofa zu kommen. Jedes Mal versuchte sie am nächsten Tag mal zu gucken, ob sie mit einer Verzögerung in der Ausführung einiger Aufforderungen von mir auch durch kommen würde. Nachdem sie das dann wiederholt gemacht hatte - immer mit klarem Bezug zum "ich darf jetzt mit auf das Sofa und da bin ich viel größer, wenn ich stehe als mein Boss" - habe ich es wieder unterbunden und die alte Ordnung war wieder hergestellt. Das war sehr interessant und lehrreich!
Und etwas anderes ist auch ganz wichtig mit zu bedenken - und da möchte ich mich jetzt ganz ehrlich nicht profilieren - ich habe ununterbrochen seit 40 Jahren Hunde und habe diese auch ausgebildet. Die im Laufe der Zeit gemachten Erfahrungen sind ein ungeheurer Schatz, der dazu führt, dass ich mir nicht die Frage stellen muss(te): wie bringe ich Bente nur das nicht ziehen an der Leine bei oder das bei Fuß laufen (wo soll sie korrekt am Rolli laufen?? Schulterhöhe = Kniehöhe geht ja nicht!) usw., sondern die entscheidende Frage war eigentlich nur: Wie bringe ich das diesem Hund bei? Welche Lernmethode wende ich an, dass dieser Hund versteht, worauf ich hinaus will.
Ich hoffe, dass ihr nun mit meinen langen Ausführungen zufrieden seid! Erziehung und Ausbildung ist ein Komplettpaket, das den grundsätzlichen Umgang mit dem Hund und die Beziehung zu diesem und dieser zu dem Hundeführer beinhaltet, und nicht nur das Erlernen von Komandos bzw. das korrekte Ausführen von Befehlen.
