Pseudojagdverhalten

[Hauptstadtpudel]

Gestern ist Jella regelrecht ausgetickt.

Wir hatten einen Waldspaziergang hinter uns, bei dem sie schon sehr rasant unterwegs war.
Selbst bei der Leckerchensuche war sie flüchtig und nicht so konzentriert, überschnüffelte erstmal einige Leckerchen, das passiert ihr sonst höchst selten und in dem Moment an mehrerern Stellen.

Dann trafen wir eine Hundebekannte, mit der tratschte ich ein wenig, Jella blieb brav bei uns, moserte nach einer Weile etwas.
Es war recht kalt, wir gingen dann weiter.
Nach ca. 10 Minuten erreichten wir die breite Waldallee, die direkt auf den Waldpparkplatz führt und dahinter eine kleine Straße, auf der regelmäßig Autos fahren.

Ca. 150 Meter (!) vorher hebt Jella den Kopf und rast kläffend los, Richtung Parkplatz, über den Parkplatz und dann konnte ich sie nicht mehr sehen.
Ich dachte, jetzt ist sie hin.
Ich hab gepfiffen, aber sie kam erst, als sie ihr Ziel (?) erreicht hatte, genau in dem Affenzahn, in dem sie los gerannt ist, kam sie auch zurück.

Als ich mich ihr zugewandt habe, um sie anzumachen, ist sie noch mal los, das gleiche Spiel.
Ich bin dann in eine kleine Abzweigung, weg von ihr und dann konnte ich sie ins Sitz bringen und anleinen.

Sie war immernoch high, und als sie noch mal los wollte, habe ich sie kräftig am Mantel gezogen und heftig angeranzt - da verschwand der irre Blick und sie war wieder ansprechbar.

Ich habe dann Click für ruhigen Blick auf die Autos belohnt, das funktionierte gut.


Ihr könnt euch vorstellen, dass ich ziemlich in Sorge bin.
In der Stadt sind Autos, egal wie schnell sie fahren, überhaupt kein Thema, es geht um die Bewegung am Horizont oder eben weiter entfernte Autos. Bisher rennt sie an die Autos heran, aber nicht hinterher.
Sie reagiert auch auf Jogger und Radfahrer, aber letztere meldet sie mir. Das haben wir so trainiert, wenn sie einen Radfahrer sieht, kommt sie zu mir. Auch wenn sie von hinten kommen, bleibt sie stehen und schaut mich an.
Bei Joggern rufe ich sie ran und sie muss bei mir laufen, bis sie weg sind. Das klappt alles gut (ich muss natürlich entsprechend agieren).

Aus dem Freundeskreis, von Johanna (mit Emil) kam der Hinweis auf Pseudojagdverhalten, also wenn der Hund kein Wild jagt, sondern andere sich bewegende Objekte.
Dazu gibt es eine Podcastfolge mit Pia Gröningem werde ich mich dann heute mal widmen:
https://tiertraining.tv/podcast/pseudoj ... -groening/

Wenn einer von euch noch Tipps/ Gedanken dazu hat, dann gerne her damit.

[Jymmie]

Ich kenne ein paar ähnliche Situationen, sowohl bei größeren Hunden vom Hundeplatz, als auch vor allem von kleineren Hunden.

Gemein hatten die alle, dass es kalt und teilweise nass war, die Hunde ausgekühlt waren und sich dann regelrecht im Rausch warm gelaufen hatten. Da wurde jede kleine Bewegung mit angenommen, in einem hohen Tempo, sehr reizempfänglich. Rennen dass es warm wird, dann wird es wärmer, der Hund fühlt sich bestätigt und rennt weiter, hin und her oder in Kreisen. Wildes Gekläffe hatten dabei nur die kleineren Hunde.
Gehört hat auch erst mal keiner auf Kommandos, obwohl sie sonst gut im Gehorsam standen.

Die Kleinen kühlen leider viel schneller aus als die Großen, da muss ich hier auch immer aufpassen.

Du hast sie gut im Auge und kannst potentielle Pseudojagdausflüge evtl. vorausahnen. Bei uns gibt es Leinenknast wenn ich merke da ist zuviel Adrenalin/Ablenkung/Unruhe, Ticci wird notfalls bei der Kälte unter die Jacke gepackt oder der Spaziergang abgebrochen.

[Sämi2]

Von Mio kenne ich aus seiner Jugend das entsprechende Verhalten auch. Er wurde durch jeden Bewegungsreiz aktiviert. Eine zeitlang arbeitete ich mit dem Futterbeutel, den ich in den entsprechenden Situationen hinter mich warf. Das holte ihn jeweils aus dem Jagd oder Jagd Ersatzverhalten. Auch heute noch mit bald 10 Jahren muss ich sehr aufmerksam sein um die entsprechenden Reize vor ihm zu sehen. Kann ihn jedoch abrufen ( ausser bei Wild ). Unsere Beiden sind auch sehr häufig an der Leine wenn rundherum zuviel los ist.
Gross analysiert habe ich das Verhalten nie, ich vermutete schlichtweg einen ausgeprägten Jagdtrieb

[Hauptstadtpudel]

Danke für den Tipp!

Das hat schon schon mal jemand angemerkt.
Ich befürchte, ich habe das nicht ernst genug genommen.

Sie ist vielleicht nicht warm genug eingepackt.
Ich gucke immer regelmäßig, ob ihr Bäuchlein warm ist, aber das reicht dann vielleicht trotzdem nicht.

Das werde ich heute gleich mal ändern und schauen, wie sie sich dann verhält.

Und in Zukunft kommt sie dann unter die Jacke, das mache ich ja sowieso schon immer, wenn wir irgendwo länger stehen müssen.

[Gero]

Beitrag von Gero » Di Jan 16, 2024 1:23 pm
Seit Gero bei uns ist - 8 1/2 Jahre - kämpfe ich mit seiner Leidenschaft Autos zu jagen, nee nicht sie zu jagen, sondern ihnen hinterher zu rennen. Hält das Auto erlischt seine Erregung auch recht schnell.

Anfangs waren auch Radfahrer bzw. die Räder Auslöser für Jagdlust, das konnte ich in den ersten drei Jahren aber abtrainieren.

Geblieben ist das teils völlige Ausrasten bei Autos - völlig ausrasten tut er bei Autos mit ANHÄNGER!! Die hört er schon bevor sie auf 500 m ran sind und beginnt zu steigen, sich im Kreis zu drehen (immer an der Leine! Ohne wär er sofort weg!!!)

Manchmal reicht auch ein Fahrrad/Motorroller mit Anhänger - je mehr solch ein Teil klappert, desto heftiger seine Reaktion darauf.

Sind es "nur" Autos hab ich es in den fast 9 Jahren geschafft dass er die von ihm bemerkten Autos anzeigt indem er zu mir kommt und mich anschaut.
Dann muß ich ihn sofort mit Leckerchen und Lobeshymnen auf ihn ablenken und während er dann großzügige Mengen an Leckerchen suchen darf rede ich ruhig mit ihm und lasse ihn anschließend ohne Leine neben mir laufen bis er sich geschüttelt hat - dann ist die Gefahr vorbei.

Hat das Auto allerdings einen Anhänger dabei muss ich zusehen, dass ich ihn noch rechtzeitig zu mir kriege und festhalte. Er kreischt dann auch schon mal vor Erregung und dreht sich um die eigene Achse und hat mir schon einen Finger dabei angebrochen, der im Halsbandring steckte.

Erschwerend kommt bei uns noch hinzu dass unsere kleine Mistbacke Mia Spaß daran hat ihn zum Hinterherrennen zu animieren - weil sie so gern mit ihm um die Wette rennt - die olle Zicke.

[Isi]

Liebe Katja, mein Mitgefühl! Auf deutsch: So ein Sch...!
ABER: Du hast schon gut vorgearbeitet, hast ihr lernen beigebracht, ihr seid ein Team, sie hört auf dich. Das sind gute Voraussetzungen!
Es geht nun darum, dass du an verschiedenen Fronten arbeitest und dann wirst du sie irgendwann daran hindern können, durchzustarten. So als Plan, als Aussicht. ZB so wie sie dir jetzt schon Jogger meldet, könnte sie dir auch die Autos melden, zB.
Ich habe gelesen, dass das Jagdverhalten bis zum 3. Lebensjahr ausreift. Deshalb passt es, dass sie es jetzt erst so zeigt. Da kannst du nichts für, es steckt in ihr und zeigt sich jetzt erst


Hier mein Brainstorming-Anteil:

Ob Pseudo- oder echtes Jagdverhalten ist egal, am wichtigsten ist: Keine Rauschwiederholung!
Also anleinen, sobald sie zu aufgedreht auf dich wirkt und nicht mehr ansprechbar zu werden droht.
Und lernen vorauszusehen, in welchen Situationen sie abgehen kann und dort vorsorglich anleinen.

Ich hab mir noch den Trainer-Satz gemerkt: Pseudojagdverhalten lässt sich abbrechen, echtes Jagdverhalten nicht. (Ich rätsele aber bis heute, ob ich das so unterschreiben kann )

Es hat teils auch etwas mit Langeweile zu tun, dass sie sich was zum Jagen suchen. Nur muss man auch aufpassen, dass man sie nicht zu einem Beschäftigungsjunkie heranzieht, denn sie soll ja auch einfach mal nur die Seele baumeln lassen können beim Spaziergang.

Gewöhnung an diese auslösenden Reize, mit selbst gewähltem Abstand, der noch ausgehalten wird, ohne hochzudrehen oder durchstarten zu wollen.
Das kann zB eine Straße am Horizont sein, wo vereinzelt Autos fahren. Darauf kann sie abgehen wie auf ein Reh am Horizont. Das heißt NICHT, dass sie auch jedes Auto in der Stadt jagen will! Finde heraus, auf welche "Optik" sie genau abgeht. (ZB bei Greta sind es einzelne sich entfernende Autos und nasse Straßen) Von daher kannst du froh sein, wenn sie das Verhalten noch mal zeigen will, weil es dir beim Trainingsplan hilft! Von jetzt an schickt dir quasi Rütter die Autos

Superrückruf oder Stoppsignal aufbauen. Ein Teil der Jagdkontrolle ist der Grundgehorsam. Dann steigerst du die Ablenkungen und diese Auto-Geschichte ist dann irgendwann das höchste der Gefühle. Dass da ein Abbruch funktioniert oder ein Festnageln muss auftrainiert werden, kann nicht auf Anhieb in der Situation selbst klappen! Das spart Frust auf beiden Seiten, wenn du dir das klar machst!
Heißt auch im Alltag öfter "nein" oder "weiter" sagen, wo sie ran/hin will und das ok wäre - aber du musst halt auch einfachere Situationen üben, um es steigern zu können bis zum Auto...
Ich habe für Greta ein Not-Aus mit dem Ball auftrainiert, den werfe ich, lassen ihn vorher übertrieben kreiseln, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. So was dauert, bis es zuverlässig sitzt!

Um ihre Aufmerksamkeit am Jagdobjekt zu bekommen, haben sich bei uns (leider) Frolic bewährt. Die kann ich ihr vor die Nase halten, da "muss" sie den Kopf zu mir umdrehen, weil sie so geil riechen. Das klappt mit anderen Leckerli bei Wildsichtung bei ihr nicht. Da musst du ausprobieren, was es für Jella sein kann.
Wir haben damals im Jagdkontrollkurs eine Belohnungshierarchie erarbeitet: Was mag der Hund am liebsten, was verstärkt doller, worauf fährt sie am allermeisten ab?

Dann kommt eine 2. Ebene dazu: Was aktiviert sie und was beruhigt sie davon?
Du kannst das dann wie eine Klaviatur einsetzen: Wie stark ist der Reiz, wie doll musst du dagegen "stinken", willst du sie beruhigen (dann zB Leckerli vom Boden suchen lassen), soll sie Energie ablassen (dann Leckerli kegeln oder sie mit Schlachtruf zum gemeinsamen Rennen anregen). Beim Jagdverhalten wird ja jede Menge Energie im Hund freigesetzt, die muss man dann händeln und deshalb klappt mitunter ein Ball in die andere Richtung werfen besser als ein Sitz abzuverlangen.

Bei der Jagdkontrolle geht es immer wieder darum, den Hund runterfahren zu können, die Erregung moderieren zu können. Deshalb, selbst wenn sie ausgelöst hat (zB kreischend in der Leine hängt): Nutze die Situation, um ihre Erregung runterzufahren, zB mit Leckerlispielen. (Das Adrenalin hält sich sonst mehrere Tage im Hund und ist immer wieder gefährlich, erneut auszulösen.)


Ich drücke dir alle Daumen, die ich habe, dass du es in den Griff bekommst!


Ich träume inzwischen von einer Jagdkontroll-Woche mit Pia G. Ohne den Jagdkontrollkurs bei meiner Trainerin hätte ich es nicht geschafft, überhaupt einen Plan (s.o.). zu bekommen
Die Woche mit Pia wäre super für den Feinschliff... - oder für dich ein super Auftakt!

Greta hatte 2 derbe Jagdabgänge. Gefühlt braucht jeder ein halbes Jahr Arbeit, es auszubügeln. Es sind Beutegreifer, der Hammer, was das Hirn da bereitstellt... Die Dummyarbeit ist bei uns auch Teil des Jagdkontrollpuzzles, als Jagdersatz.


Einen ganz lieben, quasi solidarischen Gruß!

[Isi]

Das mit der Kälte hab ich noch nie gehört.
- Was nichts heißen muss

[txakur]

Das mit der Kälte hab ich noch nie gehört.
- Was nichts heißen muss

Ich finde das total plausibel, denn
1. beobachte ich bei meinen Jungs auch, dass sie "wacher" sind, wenn wir bei Kälte ohne Jacke draußen sind und
2. ist das bei Pferden ein gut bekanntes Phänomen: wenn's kalt ist, sind sie knackig Die halten sich halt über Bewegung warm.

[Luise2016]

Carl hat das auch gemacht. Völlig unabhängig vom Wetter, es ging ihm nur ums Rennen. Bei ihm war der Auslöser das Geräusch, bei Autos auf Schotter- oder Sandstraßen war er nicht mehr zu halten, Autos auf Asphalt waren nicht so stark auslösend. Ich habe an seinem Gangbild gesehen, wenn er los wollte und konnte ihn dann vorher unterbrechen. Wenn er los war, war er genau wie Jella weg. Ich habe den Ansatz bereits sanktioniert, später reichte ein scharfes Nein und er ist nicht los gerannt, irgendwann hat er auch keine Anstalten mehr gemacht. Außer in Frankreich auf den Schotterwegen, wo nur sehr selten ein Auto kommt - da ist er bis zum Schluss hochgefahren und musste fest gehalten werden, da er nicht mehr gehorchte. Ich vermute daher, dass bei ihm (und wahrscheinlich auch bei Jella) es ein einzelnes Auto sein muss, was den Jagdreiz auslöst.

[Hauptstadtpudel]

Danke für die vielen Tipps!

Heute sind wir dieselbe Runde gegangen, was den Ausklang angeht.

Ich habe sie warm eingepackt, was schon allein wegen des Schnees nötig war.


Und es war von vorneherein ein anderes Level! Das hätte ich echt nicht gedacht.

Ich habe sie am Anfang länger an der Leine gelassen, bis wir so weit im Wald waren, das kein Auto mehr auftauchen kann.
Ich habe sie schneller wieder rangerufen (also den Radius klein gehalten) und gleich den Tipp vom Podcast zum Pseudojagdverhalten umgesetzt, sie für entspanntes Laufen in meiner Nähe zu Loben (da war sie echt verwundert ).

Das Lob für den Rückruf gibt es sowieso nur noch ab und zu.

Wir waren recht lang unterwegs (weil ich zwei Mal meinen Handschuh verloren hatte ) und ich merkte zum Ende hin, dass es eher schlechter wurde, was für den Kälte/Friereffekt spricht.

Am Ende sind wir die gleiche Allee wie gestern raus aus dem Wald (Jella natürlich angeleint) und sie hat auf die Autos in der Ferne reagiert (Ohren hoch nach vorn und auch die Rute hoch).
Mir fiel dann auf, dass man an dieser Stelle, auch durch die unbelaubten Bäume, die Autos auf der Autobahn sieht (diese liegt über der Starße) und vor allem hört.
Ich kann nicht sagen, auf welche Autos sie reagiert.

Aber das Training: Anschauen - Umwenden zu mir - hat sehr gut funktioniert, sie hat es selbst angeboten, was mich besonders gefreut hat, weil sie geahnt haben muss, worum es geht, trotz aller Faszination!
Wie gesagt, sie ist sehr eifrig (und sehr für Leckerchen zu haben!!!).
Die Aufregung war aber auch deutlich zu sehen, also wie sie mit sich kämpft.

Ich werde jetzt mal so weitermachen und darauf achten, dass es nicht zu kalt wird - eben bei Kälte auch kürzere Runden machen (und immer schön auf meine Handschuhe achten).

[Iska]

Das hört sich sehr gut an

[Jymmie]

Das hört sich gut an. Man vergisst oder unterschätzt das mit der Kälte echt.

Nun kannst du es weiter bei Jella beobachten und weißt wo du dran bist.

Ich finde das total plausibel, denn
1. beobachte ich bei meinen Jungs auch, dass sie "wacher" sind, wenn wir bei Kälte ohne Jacke draußen sind und
2. ist das bei Pferden ein gut bekanntes Phänomen: wenn's kalt ist, sind sie knackig Die halten sich halt über Bewegung warm.

Stimmt das mit den Pferden hatte ich mal gehört, aber irgendwie nie mit dem irren Warmrasen beim Hund verknüpft. Danke für die Erinnerung

[jojojojobounty]

Perfekt. Das freut mich sehr für euch!

[Luise2016]

Dito

[Hauptstadtpudel]

Und wie weit die Kälte da einwirkt und was der normale Irrsinn, werde ich dann wissen, wenn es wieder wärmer wird...