Ich versuch mich kurz zu fassen... ich könnte ein ganzes Buch über Sam schreiben

2008 habe ich noch mein Geld "mit Hunden" verdient und als die Akte Sam bei mir auf dem Tisch landete passierte irgendein Kurzschluss in meinem Hirn/Bauch - ist vorher nie passiert, passierte danach auch nie wieder. Hätte auch eigentlich nicht passieren dürfen, war aber das Härteste und auch Beste was mir passieren konnte. Dieser Hund hat meine Sichtweise und Arbeitsweise mit Hunden komplett verändert, hat das Beste aus mir herausgeholt, mich zu dem gemacht was ich heute bin, hat mich an meine Grenzen und darüber hinaus gebracht, hat mir gezeigt "Wo der Frosch die Locken" hat. Sie war meine härteste und gnadenloseste Lehrerin die es wohl auf Erden geben kann und als Dankeschön gab es unendlich viel zurück. Jeden Tag aufs neue, jede Minute wurde ich über Jahre geprüft und stand auch oftmals verzweifelnd und heulend in der Pampa rum - manchmal auch vor Kollegen, aber diesen Preis habe ich gerne gezahlt, denn er hat mir die Augen so weit geöffnet wie es nur geht. Jeder Zweifel gab mir mehr Kraft und mehr Erkenntnis. Ich bin ihr unendlich Dankbar für alles, für jede Minute und Sekunde.
Sam ist das Ergebnis unendlich vieler unglücklicher Umstände und so ziemlich jedem Pech was einem passieren kann. Eine gewollte Vermehrung zwischen einer kleiner Münsterländerin von einem Jäger mit einem Labrador-Border Collie Mix. Der Besitzer waren die Welpen irgendwann zu wieder, sie wurde in einer Scheune isoliert gehalten und nervten irgendwann. Tritte und Schläge waren an der Tagesordnung. Mit einem halben Jahr wehrte sie sich und Biss zu - wohl nicht unerheblich. Danach wurde sie von sogenannten Tierschützern in Obhut genommen und die Unglückssträhne ging weiter. Ein Jahr lang versuchte man sie in Jägerhand zu vermitteln, immer wieder zu "Männern der alten Schule" (sie hatte eine panische Angst gegen Männer entwickelt und gelernt das Angriff die beste Verteidigung ist). Irgendwann war sie in der Pflegestelle nicht mehr handlebar (Vermittlungsversuch und wieder zurück) so das man sie in einem Aussengehege sich selbst überliess. Es war nicht mehr möglich dieses zu betreten ohne das sie angriff, Futter gab es über den Zaun. Hier "sammelte" man 15 Hunde dieser Art bis wir eingeschaltet wurden.
Der Hund war fett, stank und hatte viele Wunden von Futterkämpfen. Achja und sie wollte mich sprichwörtlich töten als sie mich sah... ich war verliebt! Aber auch ganz klar: Ich war ihre letzte Chance! Sie stand auf der Liste zum einschläfern, sie war eine Gefahr für sich und andere. Ich ging das Risiko ein, wenn es nicht klappen würde, dann ging sie den letzten Gang - zum Schutz aller.
Mein Mann durfte sich 2 Wochen in unserem Haushalt nicht ohne mich bewegen oder aufhalten, es war eine brisante Mischung. Unser Rüde (Nova Scotia Duch Tolling Retriever - der Erschaffer der Hibbelinos) war ein guter Lehrer an meiner Seite, ohne ihn wäre es noch schwieriger als eh schon gewesen. Sam leidet unter ADHS und Deprivationssyndrom, div. Futtermittelallergien und Unverträglichkeiten. Die ersten Jahre waren hart, sehr hart aber wenn sie in der Lage war Liebe und Zuneigung zu zeigen, ware sie genauso extrem wie in ihren anderen Gefühlsäusserungen: Entweder ganz oder gar nicht. Sie ist schnell, sie ist absolut. Jahrelang war Besuch bei uns nicht möglich, jede Belastung war nur in microeinheiten möglich und brauchte um ein vielfaches an ruhe und gewohnter Umgebung zum verarbeiten.
Wegen ihr haben wir uns einen Camper zugelegt, so hatten wir unser zuhause immer mit dabei, rissen sie zwar in ungewohnte Umgebungen die sich verunsicherten, in dem Ruhepool konnte sie aber wieder runterkommen. So gewannen wir unsere Freiheit zumindest ein Stückchen wieder.
Im Sport war sie eine absolute Granate, ein absoluter workaholic der so seine Energie kontrolliert und schadfrei rauslassen konnte. In der Dummyarbeit (sie war jagduntauglich) war ihre Passion, Dogfrisbee, Canicross und Bikejörig sowie Agility rundeten das Ganze ab - ohne Turniere o.ä. sie hätte viele "Blumentöpfe" gewinnen können - aber da gibt es viele Menschen und damit war das nichts.

Sie Henry von Hibbel (links), Samantha von Hibbel (mittel) und Seth (der Hund meiner Ma) - 2017

Januar 2021
Bis vor 2 Jahren wäre ein Welpe in ihrem Umfeld dem tod geweiht gewesen, doch das Alter holt einen dann doch ein und auch der Tod unseres "Sir Henry von Hibbel" - der ihr immer ein Fels in der Brandung an ihrer Seite war, brachten sie dazu ihre Führung an mich abzutreten. Nach 2 Jahren Beständigkeit dieses Verhaltens ging ich das Risiko ein. Hatte ich richtig analysiert? War sie wirklich schon soweit? Lag ich falsch? Als Lu zu uns zog, war ich entsprechend angespannt. Aber ich habe richtig beurteilt und gehandelt, Lu wird sie nie ein Haar absichtlich krümmen, da bin ich mir mitterweile ganz sicher und vertraue ihr.
Mit 14,5 Jahren sind die Augen und Ohren schlechter, ein alter BS-Vorfall zwickt hier und da und auch das Hirn wird langsam müde. Aber ihre 3 Stunden Touren lässt sie sich noch nicht nehmen (Im Frühjahr waren es noch 8 Stunden Bergtour, ich denke diese Zeiten sind aber vorbei), hier waren wir über den dritten Oktober am Timmendorfer Stand und Region unterwegs:


Und zocken will sie tatsächlich immer öfter mit Lu, auch wenn ich hier immer mal wieder eingreife - denn danach läuft sie tatsächlich schlechter und man merkt das sie sich gerne übernimmt.
Dieser Hund ist etwas ganz besonderes, ganz besonders extremes und ich liebe sie ganz besonders. Meine "Fehlentscheidung" ist das Beste was mir je passieren konnte. Ich hoffe wir haben noch viele schöne gemeinsame Zeit miteinander auch wenn die Uhr tickt....
Sam und Lu zocken "in door" am 21.10. eigentlich hier verboten, aber manchmal bin ich auch nur ein Mensch

https://youtu.be/jvXtoNC1rV4