Angst oder/und Aggro? – Alles wird gut!

Alles, was mit dem Verhalten Eurer Pudel zu tun hat
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Melkmeisje
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Angst oder/und Aggro? – Alles wird gut!

Beitrag von Melkmeisje »

Hallo Zusammen,
vielleicht kann mir hier jemand weiterhelfen.

Vorgeschichte:

Ich habe Emmi (GP) mit etwas mehr als 4 Monaten bekommen und sie war von Anfang an
gegenüber fremden Menschen, Dingen und auch Geräuschen sehr ängstlich.
Zumindest in der Stadt. Auf Feldwegen und im Wald ist sie schon immer wesentlich sicherer gewesen.

Ich hatte diese extreme Unsicherheit schon ganz gut abgebaut. Vorbei fahrende Autos, am Weg
stehende Mülltonnen oder andere "Monster-Gegenstände", fremde Hunde, und die meisten fremde
Menschen stellten keine Gefahr mehr für sie dar. Wobei Menschenmengen für sie nicht so schlimm
sind wie entgegenkommende Einzelpersonen.

Sie bellte fremde Menschen nur dann an, wenn die sich über sie beugten, sie ansprachen und anstarrten
(nach dem Motto: Oh, was ist das denn für ne süße...). Da war dann nix mehr mit süß. :twisted:
Fremde Hunde waren kein Problem und wurden alle als potenzielle Spielkammeraden gesehen.


Status Quo:

Anfassen lässt sie sich immer noch nur von Leuten, die sie mindestens 20 x - bei Männern bis zu 50 x - gesehen
hat und die sie mag. (Das find ich auch nicht weiter schlimm. Wenn sie das nicht will, muss sie das auch nicht.
Einzige Ausnahme ist der Tierarzt).

Es ging eigentlich stetig bergauf, mal schneller, mal langsamer. Aber bergauf. Und jetzt das!

Jetzt ist sie etwas mehr als 13 Monate alt und die Ängstlichkeit nimmt im Moment wieder drastisch zu. Mit dem
Unterschied, dass sich ihre Angst jetzt vermehrt durch verbellen oder sogar stellen von fremden Menschen
und Hunden äußert. :cry:

Kennt Ihr sowas von Euren Pudeln auch?

Kommt da wirklich wieder ihre Unsicherheit durch, oder pöbelt sie im Moment einfach nur rum?

Wie kann ich so schnell wie möglich dieses (angst-?) aggressive Verhalten wieder abstellen ohne ihre Angst zu verstärken?

Ich möchte sie wieder aus diesem Verhalten herauszuholen, so dass sie im Haus, Garten und auf der Straße
fremden Menschen/Hunden wieder stressfrei begegnen kann. Dabei ist es gar nicht nötig, dass sie sich streicheln lässt.

Sie ist nämlich ein toller, lebenslustiger Hund, wenn sie nicht gerade in Ihrem Film steckt.

Danke schon mal für Eure Tipps.
Lg Anja
Zuletzt geändert von Melkmeisje am So Jul 25, 2010 8:20 pm, insgesamt 1-mal geändert.
Wenn ein Hund nur darf, wenn er soll, aber nie kann, wenn er will, dann mag er auch nicht, wenn er muss.
Wenn er aber darf, wenn er will, dann mag er auch, wenn er soll und dann kann er auch wenn er muss.

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Cindy
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Re: Angst oder/und Aggro?

Beitrag von Cindy »

Hi Anja,

mal vorweg, übertrieben aggressives Verhalten ist immer ein Zeichen von Angst/Unsicherheit. Ich kenne keinen einzigen souveränen, selbstsicheren Hund, der unangebracht und übertrieben aggressives Verhalten zeigt.
Wobei Menschenmengen für sie nicht so schlimm sind wie entgegenkommende Einzelpersonen.
Dieses Verhalten konnte ich bei meiner Hündin auch beobachten. Entgegenkommende Einzelpersonen waren und sind angstauslösender wie Menschenmengen. Dafür gibt es mE verschiedene Erklärungen. Welche auf den individuellen Hund zutrifft .... gute Frage.
a) Hund ist in der Menschenmenge so überfordert und gestresst, dass er in einen Zustand abdriftet, in dem ihm "alles sch...egal" ist, Hauptsache die Situation geht irgendwie vorüber
b) Hund nimmt Einzelpersonen als stärkere Bedrohung wahr, da in Einzelbegegnungen die Konzentration von beiden Seiten auf das jeweilige Gegenüber grösser ist. Beobachte mal die Reaktionen in Menschenmengen, auch deine eigenen Reaktionen. Nimmst Du bsp. beim Durchgehen einer Fußgängerzone die Menschen bewusst wahr? Eher nein, sie sind halt da und gut war. Selbst Bekannte könnten in dem Moment ggf. ungesehen an euch vorbeilaufen, einfach weil man vor lauter "Wald die Bäume nicht mehr sieht". Bei Begegnungen mit Einzelpersonen jedoch sind das meist eher "isolierte" Begegnungen, bei denen man sich das Gegenüber bewusster anschaut, ggf. je nach Situation auch erst mal angespannter wird. Und das nimmt Hund natürlich auch wahr.
Sie bellte fremde Menschen nur dann an, wenn die sich über sie beugten, sie ansprachen und anstarrten
Jep, aus dem Grund reagiere ich auch äusserst pampig, wenn jemand Fremdes einfach so auf meine Hunde zukommt und sie antatscht.
Gerade ängstliche Hunde reagieren auf derart unhöfliches, inadäquates Verhalten mit gesteigertem Misstrauen und eben Angst und Unsicherheit, mit daraus resultierendem Verhalten. So und wenn das Jungspund nun aus Angst losbellt, evtl. noch knurrt und Zähne zeigt - was passiert dann???????
Der den Jungspund "bedrohende" Mensch (und machen wir uns nichts vor, für einen Hund ist das Drohverhalten, wenn ein ihm fremder Mensch kommt, über in drüber beugt, dabei anspricht und nach ihm fasst) weicht zurück - womit wir bei der Lerntheorie angelangt wären ...... Verhalten, das bestärkt wird, wird immer häufiger gezeigt ......... Und was könnte bestärkender wirken als festzustellen, dass man sich mit seinem Verhalten eine potentielle Bedrohung vom Leib halten kann?
Anfassen lässt sie sich immer noch nur von Leuten, die sie mindestens 20 x - bei Männern bis zu 50 x - gesehen
hat und die sie mag.
Das ist auch völlig ok. Und ich würde darauf achten, dass sie sich auch nicht von fremden Leuten bedrängen, "bedrohen", antatschen lassen muss.
Jetzt ist sie etwas mehr als 13 Monate alt und die Ängstlichkeit nimmt im Moment wieder drastisch zu. Mit dem
Unterschied, dass sich ihre Angst jetzt vermehrt durch verbellen oder sogar stellen von fremden Menschen
und Hunden äußert
Verständlich, sie ist nun mal altersmässig einer Phase, in der auch die Hormone etwas verrückt spielen können. Und nun ja, da können durchaus auch wieder ängstliche Verhaltensweisen hochkommen, die man schon überwunden geglaubt hat. Mit derartigen Rückschlägen wirst Du die nächsten Jahre immer rechnen müssen.
Kommt da wirklich wieder ihre Unsicherheit durch, oder pöbelt sie im Moment einfach nur rum?
Was anderes als Unsicherheit ist Pöbeln? Kein Hund "pöbelt einfach nur so rum". Ein sicherer Hund hat es nicht nötig zu pöbeln. Du wirst nie einen wirkklich selbstsicheren, souveränen Hund erleben, der pöbelt.
Wie kann ich so schnell wie möglich dieses (angst-?) aggressive Verhalten wieder abstellen ohne ihre Angst zu verstärken?
Bei den Hunden, mit denen ich bisher trainiert habe, die angstbedingtes Pöbeln gezeigt haben, habe ich bisher Erfolg damit gehabt, dass einerseits der Hund bereits beim Anblick des angstauslösenden "Objekts" sofort bestätigt wurde. Also Hund sieht fremden Menschen auf Entfernung, bevor Hund noch daran denkt, loszupöbeln etc. kommt Futter/Leckerlie ins Spiel, Hund wird so lange gefüttert, bis das angstauslösende Objekt vorbei ist. Und dann hört die Fütterei sofort auf. Das einige Zeit durchziehen, dann langsam die Leckerliefütterei reduzieren. Zu Anfang permanent ein Leckerlie nach dem anderen "nachschieben". Dann Stück für Stück abbauen. Im Prinzip sollte Hund das so verknüpfen "Fremder Mensch kommt = tut mir gut, da Leckerlies kommen", "Fremder Mensch weg = Leckerlies weg".

Sollte Hund doch mal lospöbeln, kommentarlos abdrehen weggehen, wenn möglich, auch die Leine einfach fallenlassen. IdR wird der unsichere Hund durch dieses Alleinlassen seinem HF wieder nachrennen - bestätigen und gemeinsam wieder in die "richtige" Richtung weitergehen.

Ganz verkehrt ist es auf jeden Fall, selbst anfangen zu schimpfen oder ähnliches. Denn das bezieht der Hund durchaus auf die Situation und die fremde Person. Ende vom Lied, Hund wird idR noch mehr Unsicherheit zeigen, und daraus resultierend noch stärker pöbeln. Und dummerweise bestätigt sich die Pöbelei ja selbst, denn das angepöbelte Objekt verschwindet ja irgendwann wieder - also hat die Pöbelei tatsächlich was genützt.
Viele Grüße
Cindy


"Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was Du dir vertraut gemacht hast!" (Le petit prince, Antoine de Saint-Exupéry)

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Melkmeisje
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Re: Angst oder/und Aggro?

Beitrag von Melkmeisje »

Hallo Cindy, danke für Deine sehr ausführliche Antwort.

Mit den Leckerchen werde ich mal ausprobieren. Bis jetzt habe ich es so
gehandhabt, dass ich einfach gesplittet habe. Das heißt ich gehe zwischen
der Bedrohung und dem Hund möglichst normal weiter. Wenn Platz ist
sogar im Bogen um den "Feind" herum. Wenn viel Platz ist kann ich sie auch
mit einem Spiel ablenken. Das beides hilft leider nicht immer.
Da scheint mir die Idee, mit den Leckerchen das "Monster" schön zu füttern,
schon besser und vor allem nachhaltiger zu sein.

Von Fremden anfassen lassen unterbinde ich auch schon im Vorfeld. Auch von
mir bekannten Personen, die ja nur mal streicheln wollen. Wenn sie von
sich aus hingeht Ok, sonst muss sie ignoriert werden.

Es ist immer so deprimierend, wenn man seinen Hund wieder so sieht.
Vor allem wenn man schon glaubte jetzt hat sie es gepackt.

Aber jammern hilft ja nicht, fröhlich ans Werk und diese Phase überstehen.

Lg Anja
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lisamaus
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Re: Angst oder/und Aggro?

Beitrag von lisamaus »

so etwas kenne ich auch, anfänglich ging meine kleine vorzugsweise auf "rentner-ähnliche" personen los, die wurden umkreist und verbellt, vor allem wenn sie einen stock o.ä. dabei hatten. dann hat sie nach paaren gesucht - wahrscheinlich nach ihren früheren besitzern, die wurden nur umkreist. ich habe die kleine, wenn ich einen "angstgegner" gesehen habe, an die leine genommen und mich um ein gespräch mit den personen bemüht (manchmal fiel mir das mächtig schwer :-( ), sobald wir dann weitergegangen sind, stöckchen-werfen, oder gar ein leckerli auf die strasse. sie hat langsam den stress abgebaut, trotzdem flammt das verhalten teilweise wieder auf. nun sind wir ja weiter in der erziehung - sie geht dann platz (auf der strasse) und sieht zu, wie das "störende" an ihr vorbeigeht/fährt/joggt/knattert - im anschluss kommt ein mächtiges knuddel und leckerli. ich glaube, sie hat irgendwann in der welpen/junghund-zeit schlechte erfahrungen gemacht, ob sie das jemals total überwindet, glaube ich nicht - wir menschen haben ja auch unsere negativ-erinnerungen und verhalten uns dementsprechend (was nicht immer richtig oder logisch ist).
mit geduld werdet ihr sicher ein traumpaar - lg - marly
man kann auch ohne hund leben, aber es lohnt sich nicht

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Melkmeisje
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Re: Angst oder/und Aggro?

Beitrag von Melkmeisje »

Oh man, jetzt ist das Ganze schon 1 Jahr her (bisschen schlechtes Gewissen hab :oops: ).
Und ja, es war wieder die Unsicherheit, obwohl ich mir zu dem Zeitpunkt echt nicht sicher
war, weil die heftigen Ausbrüche so plötzlich wieder anfingen.

Ich war zwischenzeitlich fast verzweifelt und an ganz heftigen Tagen schoß mir auch schon mal kurz der
Gedanke durch den Kopf den Hund abzugeben. Aber Dank der Unterstützung meiner
Familie, Freunden und zum Teil auch fremden Personen ist es dazu nicht gekommen – Gott sei Dank.

Bisher hatte ich ja noch nie einen Angsthund und ich musste erst lernen, dass so ein Hund eine ganz andere
Ausbildung braucht. Die Schwerpunkte lagen da in Übungen, die das Selbstvertrauen stärken, Impulskontrolle,
Frustrationsgrenze hochsetzen. Jeden, aber auch wirklich jeden uns entgegenkommenden Menschen freundlich
Grüßen ...

Es gab 3 Meilensteine, die neben dem Training für immer mehr Sicherheit beim Hund gesorgt haben.
1. Nach der ersten Läufigkeit
2. Mantrailing
3. Futter ohne Mais (hört sich blöd an, war aber so)

Mittlerweile habe ich mit Emmi sogar die Begleithunde-Prüfung abgelegt und sie hat das super gemacht.
Zum Glück war der Prüfer eine Frau und Emmi ist nicht losgegangen (war zu dem Zeitpunkt noch nicht
ganz sicher). Die Prüfung auf dem Platz war ja nicht das Problem. Auch der Stadtteil ist super gelaufen.

Vor 2 Wochen dann das größte Erfolgserlebnis: endlich war mal hier in der Nähe ein Pudelrennen, da sind
wir hingefahren um zu sehen ob sie stabil ist. Sollte es nicht klappen, wären wir ja schnell wieder zu hause
gewesen. Vorher haben wir solche Veranstaltungen noch vermieden.
Und was soll ich sagen: sie war super entspannt und hat das souverän gemeistert. :streichel:
Ist sogar während wir auf der Wiese gegessen haben neben uns eingeschlafen.

LG
Anja

Ich hoffe ich finde jetzt wieder mehr Zeit für dieses tolle Forum
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wun

Re: Angst oder/und Aggro? – Alles wird gut!

Beitrag von wun »

Hey Anja,

dass hört sich klasse an.
Meinen größten Respekt, was ihr miteinander erreicht habt :klatsch:

Und das mit dem maislosen Futter hört sich gar nicht blöd an,
Mais ist gerade bei Stress-/Angsthunden nicht gerade ohne.

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Resi
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Re: Angst oder/und Aggro? – Alles wird gut!

Beitrag von Resi »

Klasse wie du mit ihr gearbeitet hast, gerade weil es nicht gerade leicht war ist die Leistung um so beachtlicher! Sicherlich wird es auch in Zukunft immer wieder Momente geben in denen Du verzweifeln könntest, dann schau zurück was ihr schon alles geschafft habt und du wirst erkennen dass es stetig voran geht.

Weiter so!
Pudelverrücktsein ist schön- es kann eben nur nicht jeder...

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Melkmeisje
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Re: Angst oder/und Aggro? – Alles wird gut!

Beitrag von Melkmeisje »

Danke Euch beiden.

Ich bin so Glücklich, dass es jetzt so gut läuft und wir doch noch ein gutes Team geworden sind.

Viele Grüße von
Anja
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