Hi Anja,
mal vorweg, übertrieben aggressives Verhalten ist immer ein Zeichen von Angst/Unsicherheit. Ich kenne keinen einzigen souveränen, selbstsicheren Hund, der unangebracht und übertrieben aggressives Verhalten zeigt.
Wobei Menschenmengen für sie nicht so schlimm sind wie entgegenkommende Einzelpersonen.
Dieses Verhalten konnte ich bei meiner Hündin auch beobachten. Entgegenkommende Einzelpersonen waren und sind angstauslösender wie Menschenmengen. Dafür gibt es mE verschiedene Erklärungen. Welche auf den individuellen Hund zutrifft .... gute Frage.
a) Hund ist in der Menschenmenge so überfordert und gestresst, dass er in einen Zustand abdriftet, in dem ihm "alles sch...egal" ist, Hauptsache die Situation geht irgendwie vorüber
b) Hund nimmt Einzelpersonen als stärkere Bedrohung wahr, da in Einzelbegegnungen die Konzentration von beiden Seiten auf das jeweilige Gegenüber grösser ist. Beobachte mal die Reaktionen in Menschenmengen, auch deine eigenen Reaktionen. Nimmst Du bsp. beim Durchgehen einer Fußgängerzone die Menschen bewusst wahr? Eher nein, sie sind halt da und gut war. Selbst Bekannte könnten in dem Moment ggf. ungesehen an euch vorbeilaufen, einfach weil man vor lauter "Wald die Bäume nicht mehr sieht". Bei Begegnungen mit Einzelpersonen jedoch sind das meist eher "isolierte" Begegnungen, bei denen man sich das Gegenüber bewusster anschaut, ggf. je nach Situation auch erst mal angespannter wird. Und das nimmt Hund natürlich auch wahr.
Sie bellte fremde Menschen nur dann an, wenn die sich über sie beugten, sie ansprachen und anstarrten
Jep, aus dem Grund reagiere ich auch äusserst pampig, wenn jemand Fremdes einfach so auf meine Hunde zukommt und sie antatscht.
Gerade ängstliche Hunde reagieren auf derart unhöfliches, inadäquates Verhalten mit gesteigertem Misstrauen und eben Angst und Unsicherheit, mit daraus resultierendem Verhalten. So und wenn das Jungspund nun aus Angst losbellt, evtl. noch knurrt und Zähne zeigt - was passiert dann???????
Der den Jungspund "bedrohende" Mensch (und machen wir uns nichts vor, für einen Hund ist das Drohverhalten, wenn ein ihm fremder Mensch kommt, über in drüber beugt, dabei anspricht und nach ihm fasst) weicht zurück - womit wir bei der Lerntheorie angelangt wären ...... Verhalten, das bestärkt wird, wird immer häufiger gezeigt ......... Und was könnte bestärkender wirken als festzustellen, dass man sich mit seinem Verhalten eine potentielle Bedrohung vom Leib halten kann?
Anfassen lässt sie sich immer noch nur von Leuten, die sie mindestens 20 x - bei Männern bis zu 50 x - gesehen
hat und die sie mag.
Das ist auch völlig ok. Und ich würde darauf achten, dass sie sich auch nicht von fremden Leuten bedrängen, "bedrohen", antatschen lassen muss.
Jetzt ist sie etwas mehr als 13 Monate alt und die Ängstlichkeit nimmt im Moment wieder drastisch zu. Mit dem
Unterschied, dass sich ihre Angst jetzt vermehrt durch verbellen oder sogar stellen von fremden Menschen
und Hunden äußert
Verständlich, sie ist nun mal altersmässig einer Phase, in der auch die Hormone etwas verrückt spielen können. Und nun ja, da können durchaus auch wieder ängstliche Verhaltensweisen hochkommen, die man schon überwunden geglaubt hat. Mit derartigen Rückschlägen wirst Du die nächsten Jahre immer rechnen müssen.
Kommt da wirklich wieder ihre Unsicherheit durch, oder pöbelt sie im Moment einfach nur rum?
Was anderes als Unsicherheit ist Pöbeln? Kein Hund "pöbelt einfach nur so rum". Ein sicherer Hund hat es nicht nötig zu pöbeln. Du wirst nie einen wirkklich selbstsicheren, souveränen Hund erleben, der pöbelt.
Wie kann ich so schnell wie möglich dieses (angst-?) aggressive Verhalten wieder abstellen ohne ihre Angst zu verstärken?
Bei den Hunden, mit denen ich bisher trainiert habe, die angstbedingtes Pöbeln gezeigt haben, habe ich bisher Erfolg damit gehabt, dass einerseits der Hund bereits beim Anblick des angstauslösenden "Objekts" sofort bestätigt wurde. Also Hund sieht fremden Menschen auf Entfernung, bevor Hund noch daran denkt, loszupöbeln etc. kommt Futter/Leckerlie ins Spiel, Hund wird so lange gefüttert, bis das angstauslösende Objekt vorbei ist. Und dann hört die Fütterei sofort auf. Das einige Zeit durchziehen, dann langsam die Leckerliefütterei reduzieren. Zu Anfang permanent ein Leckerlie nach dem anderen "nachschieben". Dann Stück für Stück abbauen. Im Prinzip sollte Hund das so verknüpfen "Fremder Mensch kommt = tut mir gut, da Leckerlies kommen", "Fremder Mensch weg = Leckerlies weg".
Sollte Hund doch mal lospöbeln, kommentarlos abdrehen weggehen, wenn möglich, auch die Leine einfach fallenlassen. IdR wird der unsichere Hund durch dieses Alleinlassen seinem HF wieder nachrennen - bestätigen und gemeinsam wieder in die "richtige" Richtung weitergehen.
Ganz verkehrt ist es auf jeden Fall, selbst anfangen zu schimpfen oder ähnliches. Denn das bezieht der Hund durchaus auf die Situation und die fremde Person. Ende vom Lied, Hund wird idR noch mehr Unsicherheit zeigen, und daraus resultierend noch stärker pöbeln. Und dummerweise bestätigt sich die Pöbelei ja selbst, denn das angepöbelte Objekt verschwindet ja irgendwann wieder - also hat die Pöbelei tatsächlich was genützt.