Impulskontrolle ist endlich. Wirklich?

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Pudelpower
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Impulskontrolle ist endlich. Wirklich?

Beitrag von Pudelpower »

In einem Blogbeitrag wird die Endlichkeit der Impulskontrolle kritisch hinterfragt.

https://fluffology.de/post/die-impulsko ... ssenschaft

Der Beitrag ist schon ein paar Jahre alt und die neuesten Studien, die dort erwähnt werden, sind von 2015. Vielleicht hat ja jemand aktuellere Informationen zum Thema.
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jojojojobounty
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Re: Impulskontrolle ist endlich. Wirklich?

Beitrag von jojojojobounty »

Hi,

sehr spannend. Danke für den Link.

Mir gefällt, dass hierbei das Konzept mit Beispielen auf den Menschen übertragen wurde. So habe ich bisher nicht darüber nachgedacht.
Wenn ich so auf mich bezogen jedoch darüber nachdenke, dann empfinde ich es auch eher schwer nachvollziehbar. Könnte mich persönlich damit nicht so wirklich identifizieren…

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Annitante
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Re: Impulskontrolle ist endlich. Wirklich?

Beitrag von Annitante »

Ein spontaner und noch unausgereifter Gedanke hierzu: ich finde es schwierig erwachsene Menschen in Relation zu setzen. Wenn nämlich Abläufe zur Regel werden, so mein bisheriges Verständnis, wird wenig bis keine Impulskontrolle mehr aufgebraucht.

Um ein Beispiel aus dem Beitrag aufzugreifen: wenn der Wecker klingelt und wir aufstehen, dann ist das nach X Jahren nicht mehr für jeden (manchen dann doch :wink: ) ein dramatischer Akt von Impulskontrolle. Für mich spielt da auch viel Frustrationstoleranz rein. Christiane (Rohana) hatte schon mal an anderer Stelle geschrieben, dass sich beides in der Praxis nicht so sauber trennen lässt.

Na, jedenfalls würde ich einen Hund, der noch nicht viel Impulskontrolle (gelernt) hat, eher in Relation zu einem Kind setzen, das genau das noch lernt. Bei Kindern kann man ganz oft beobachten wie anstrengend das Erlernen von Selbstkontrolle ist. Ich hab jedenfalls tolle Erfahrungen gemacht, wenn ich mir bei meiner Mutter (Lehrerin und Pädagogin, die viel auch mit Kleinkindern arbeitet) ansehe, wie die mit diesem Thema umgeht und dass ich ihre Ansätze auf Einstein ummünzen kann.
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Hauptstadtpudel
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Re: Impulskontrolle ist endlich. Wirklich?

Beitrag von Hauptstadtpudel »

Das ist dann eher das Thema, muss Impulskontrolle erlernt werden.
Die Frage würde ich eindeutig mit Ja beantworten, sowohl von Kindern, als auch von Hunden.

Aber der Gedanke, dem ich ja bisher auch gefolgt bin, dass Impulskontrolle (die Fähigkeit sich zu beherrschen) "sich verbraucht" ist ja ein anderer, oder?

Und dass es dazu schon 2015 aufwendige Forschung gab mit Ergebnissen, die das nicht bestätigen finde ich sehr interessant.
Dass sich Impulskontrolle erschöpft, wird ja von einigen TrainerInnen behauptet. Auch von solchen, die sich regelmäßig fortbilden und sich an den (neuesten?) Erkenntnissen aus Wissenschaft & Forschung orientieren.

Ich habe bisher gemeint, zu beobachten, dass sich die Impulskontrolle durchaus aufbraucht (Beispiel: für die sechste dichte Hundebegnung reichte sie dann nicht mehr).

Vielleicht ist es aber auch einfach so, dass sich die Fähigkeit zur Selbstbeherrschung nicht wirklich erschöpft, aber die Voraussetzungen (ein bestimmtes Erregungslevel darf nicht überschritten sein) sich durch Wiederholungen (oder Verstärkung des Reizes, z.B. durch Distanzverringerung) so verschlechtern, dass es nicht mehr zum Akt der Impulskontrolle kommen kann?

Ist das verständlich?

Die Frage, die sich natürlich anschließt - was ändert sich am Training, ändert sich überhaupt etwas?

Egal, ob es an der "sich aufbrauchenden" Impulskontrollereserve liegt, oder an den nicht erfüllten Voraussetzungen (Erregungslevel) - das Training bliebe das gleiche, oder?
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jojojojobounty
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Re: Impulskontrolle ist endlich. Wirklich?

Beitrag von jojojojobounty »

Hauptstadtpudel hat geschrieben:
Fr Dez 24, 2021 1:50 pm

Und dass es dazu schon 2015 aufwendige Forschung gab mit Ergebnissen, die das nicht bestätigen finde ich sehr interessant.
Dass sich Impulskontrolle erschöpft, wird ja von einigen TrainerInnen behauptet. Auch von solchen, die sich regelmäßig fortbilden und sich an den (neuesten?) Erkenntnissen aus Wissenschaft & Forschung orientieren.
Wo wir bei einem der Punkte von Anna (der Autorin des Artikels) beim Hundekongress wären, die ja thematisiert hat, dass der Weg von der Wissenschaft ins Hundetraining ein recht Langer ist.
Andererseits ist es manchmal eben auch nicht sinnvoll jedes Detail aufzudröseln. Damit kann ja auch nicht jeder HH was anfangen, wie beispielsweise bei der Unterscheidung zwischen:
- Frustrationstoleranz
- Umgebungsbedingungen/Voraussetzungen
- Jagen vs. Bewegung vs. Sechsuelles Verhalten vs. …
Hauptstadtpudel hat geschrieben:
Fr Dez 24, 2021 1:50 pm


Ich habe bisher gemeint, zu beobachten, dass sich die Impulskontrolle durchaus aufbraucht (Beispiel: für die sechste dichte Hundebegnung reichte sie dann nicht mehr).

Vielleicht ist es aber auch einfach so, dass sich die Fähigkeit zur Selbstbeherrschung nicht wirklich erschöpft, aber die Voraussetzungen (ein bestimmtes Erregungslevel darf nicht überschritten sein) sich durch Wiederholungen (oder Verstärkung des Reizes, z.B. durch Distanzverringerung) so verschlechtern, dass es nicht mehr zum Akt der Impulskontrolle kommen kann?

Ist das verständlich?

Ja, ich verstehe deinen Punkt soweit so gut.
Wie ich von unserem Training aber bereits an einigen Stellen berichtet habe, stellt es sich bei uns tatsächlich anders da:
Hundebegegnungen werden im Verlauf eines Spaziergangs oder eines Tages eher besser als schlechter, oft sogar deutlich.
Das gilt auch für anderes, was bei uns eher besser wird mit der Zeit als schlechter.
Das hatten wir mit unserer Trainerin ja auch im Oktober ausführlicher diskutiert und daraus den Schluss gezogen, dass Emils Bewegungsdrang ihm so viel Stress bereitet, dass er eben solange der noch in ihm steckt, sich anderweitig schlecht beherrschen kann. Die Voraussetzungen für ihn sind also, dass er seine Bedürfnisse gestillt hat und dazu gehört auch ein gewisser Grad an Bewegung.

Auch wenn ich an Emils Verhalten auf dem Hundeplatz von vor einem Jahr denke, kann ich nur sagen: da war nichts an Impulskontrolle aufgebraucht. Da war einfach noch zu viel Feuer im Hund. Nachdem das besser wurde, konnte er auch auf dem Platz arbeiten. So sind bei uns die letzten 15 Minuten im Training oft die deutlich Besseren im Vergleich zu der ersten Viertelstunde. Ich habe mich da schon immer gewundert, wenn die Trainerin dann meint, oh alle Hunde sind fertig und müde. Emils Kopf war dann oft erst frei .

Hierbei denke ich, ist es aber enorm wichtig darauf zu achten, was den Hund triggert.
Denn wenn wir z.B. von einem jagdlichen Reiz reden, dann ist es vielleicht nicht die Impulskontrolle die abnimmt, aber ein Adrenalinlevel das zunimmt. Dann sind es also wieder die Voraussetzungen und zwar welche, sie unweigerlich zunehmen, denn das Hormonlevel reguliert sich zeitlich gesehen nicht so schnell runter wie der Bewegungsdrang o.ä.
Hauptstadtpudel hat geschrieben:
Fr Dez 24, 2021 1:50 pm


Die Frage, die sich natürlich anschließt - was ändert sich am Training, ändert sich überhaupt etwas?

Egal, ob es an der "sich aufbrauchenden" Impulskontrollereserve liegt, oder an den nicht erfüllten Voraussetzungen (Erregungslevel) - das Training bliebe das gleiche, oder?
Ich würde sagen, dass das am Training schon sehr etwas ändert.
Denn wo nach alter Theorie nur ein Abbruch der Situation für den Tag sinnvoll war, sowie das Vermeiden von Situationen bis wieder genug Impulskontrolle vorhanden ist, bekommen Entspannungsübungen und allgemein Trainings zum schnellen Runterkommen eine Bedeutung.

Gleichzeitig zeigt sich für mich, wie wichtig es ist, den Auslöser genauer zu kennen.
Manchmal hilft also doch nur der Abbruch (Jagdfieber). Manchmal kann ich aber Voraussetzungen und Umgebungsbedingungen sinnvoll anpassen, wo es die Theorie der Impulskontrolle als sinnlos erklärt hat.

Für mich tatsächlich eine sehr bestätigende wissenschaftliche Erkenntnis, was manche Beobachtungen angeht. Und sehr interessant zum Hinterfragen mancher Aspekte.
🤔
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Re: Impulskontrolle ist endlich. Wirklich?

Beitrag von Annitante »

Hauptstadtpudel hat geschrieben:
Fr Dez 24, 2021 1:50 pm
Das ist dann eher das Thema, muss Impulskontrolle erlernt werden.
Nein, so war es von mir nicht gemeint. Die Trainer, die mir in dem Kontext, dass sich Impulskontrolle aufbraucht, unterkamen, vertraten auch die Auffassung, dass das nicht immer so ist. Nehmen wir das Beispiel warten vor der Futterschüssel. Fängt man damit an, verbraucht es Impulskontrolle. Wird es zur Regel, verbraucht es irgendwann keine mehr. Und deshalb fand ich die Beispiele aus der Menschenwelt in dem Artikel schwierig, weil ob der Wecker wirklich noch Impulskontrolle bei mir frisst, wage ich zu bezweifeln.
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Hauptstadtpudel
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Re: Impulskontrolle ist endlich. Wirklich?

Beitrag von Hauptstadtpudel »

Okay, dann habe ich dich falsch verstanden, Anne.

Ich fand das Beispiel auch nicht glücklich gewählt.
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Re: Impulskontrolle ist endlich. Wirklich?

Beitrag von Hauptstadtpudel »

jojojojobounty hat geschrieben:
Fr Dez 24, 2021 2:35 pm
Hauptstadtpudel hat geschrieben:
Fr Dez 24, 2021 1:50 pm


Die Frage, die sich natürlich anschließt - was ändert sich am Training, ändert sich überhaupt etwas?

Egal, ob es an der "sich aufbrauchenden" Impulskontrollereserve liegt, oder an den nicht erfüllten Voraussetzungen (Erregungslevel) - das Training bliebe das gleiche, oder?
Ich würde sagen, dass das am Training schon sehr etwas ändert.
Denn wo nach alter Theorie nur ein Abbruch der Situation für den Tag sinnvoll war, sowie das Vermeiden von Situationen bis wieder genug Impulskontrolle vorhanden ist, bekommen Entspannungsübungen und allgemein Trainings zum schnellen Runterkommen eine Bedeutung.
Ja, das ist entscheidend, da hast du absolut recht.
jojojojobounty hat geschrieben:
Fr Dez 24, 2021 2:35 pm
Gleichzeitig zeigt sich für mich, wie wichtig es ist, den Auslöser genauer zu kennen.
Manchmal hilft also doch nur der Abbruch (Jagdfieber). Manchmal kann ich aber Voraussetzungen und Umgebungsbedingungen sinnvoll anpassen, wo es die Theorie der Impulskontrolle als sinnlos erklärt hat.

Für mich tatsächlich eine sehr bestätigende wissenschaftliche Erkenntnis, was manche Beobachtungen angeht. Und sehr interessant zum Hinterfragen mancher Aspekte.
🤔
Und bei mir führte es in der Vergangenheit dann vielleicht auch zur self fulfilling prophecy, wenn ich glaube, die Impulskontrolle verbraucht sich, erfüllt sich (scheinbar) durch meine eigene Erwartung/ eigenes Verhalten genau diese Annahme.

Ich interpretierte es dann falsch.
Was dann durchaus dazu führen kann, dass ich im Training von Problemverhalten irgendwann steckenbleibe.

Schon sehr wertvoll, wenn sich - wenn auch auf einem langen Weg - das Wissen seinen Weg ins praktischr Training mit Hund bahnt.

Ich hätte es gern schon eher gewußt. :?
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Re: Impulskontrolle ist endlich. Wirklich?

Beitrag von Annitante »

Ich kann für mich nicht sagen, dass es mein Training ändert. Ich versuche das Training kleinschrittig zu gestalten und versuche die Schwierigkeiten für Einstein machbar zu wählen. Wenn Einstein erschöpft wirkt, ist der allerspäteste Zeitpunkt aufzuhören (besser früher). Ob er erschöpft ist, weil die Impulskontrolle auf ist oder weil er schlicht müde ist, ist für mich nachrangig.

Ruhe- und Entspannungsübungen sind auch Training. Auch das muss ich geduldig aufbauen. Wenn wir also Hundebegegnungen trainieren und ich das Gefühl habe, jetzt ist es genug, würde ich nicht ins Entspannungstraining wechseln. Da kann ich höchstens auf den bisherigen Trainingsstand zurückgreifen und ich muss mir sicher sein, dass er entspannen kann. Ansonsten finde ich, kann/soll ein Training beendet werden. Ich kann für Einstein sagen, dass ich nicht finde, dass Training besser wird, wenn wir durchhalten oder uns durchkämpfen. Unser Training mit dem Leinen Date ist ein gutes Beispiel dafür. Fortschritte macht er nur, wenn er die Situation noch bewältigen und verarbeiten kann. Ich habe aber auch schon beim Leinen Date erlebt, dass er nach 10 Minuten besser zurecht kam, allerdings nur, wenn die Bedingungen für ihn schwer aber machbar waren.

Johanna, bei dem was du beschreibst, kommt mir ein anderer Beitrag von dir in den Sinn. Ich hoffe, es ist ok, wenn ich dich hier zitiere.
jojojojobounty hat geschrieben:
Di Okt 19, 2021 3:13 pm
Hat der Hund in einer bestimmten Situation ein Problem mit der Impulskontrolle wird es in diesem konkreten Moment, wo diese aufgebraucht ist, immer schlimmer werden. Von Minute zu Minute wird es der Hund schwerer aushalten können und auch am selben Tag, wenn die Impulskontrolle aufgebraucht ist, wird es keinerlei Fortschritt oder Verbesserung geben.
Bsp. ein s e x u e l l oder jagdlich motivierter Hund, der mit einem solchen Reiz konfrontiert wird, wird es bspw. eine halbe Stunde aushalten, sich zurückzunehmen, aber dann ist dieses Impulskontrolle-Kontingent leer und dann wird er schnüffeln, zerren, kreischen, .. und es wird keine Besserung mehr eintreten und sich nur noch weiter und weiter hochschaukeln.

[...]

Über einen solchen Test: was passiert im laufe der Zeit sind wir bspw. dem Problem von Emil draußen näher gekommen und konnten klarer definieren, was ihn für sein „schwieriges“ Verhalten draußen aktuell motiviert.
Ich finde deine Beobachtungen interessant. Kannst du das nochmal zu deinem anderen Beitrag erklären? Oder meinst du, dass man so noch einwirken kann?
jojojojobounty hat geschrieben:
Fr Dez 24, 2021 2:35 pm
Manchmal kann ich aber Voraussetzungen und Umgebungsbedingungen sinnvoll anpassen, wo es die Theorie der Impulskontrolle als sinnlos erklärt hat.
Das sehe ich ähnlich. Bei mir läuft das eher unter Trainingsumgebung oder -niveau. Ich muss sagen, dass ich mir da wenig Gedanken um den theoretischen Hintergrund mache, als dass ich schaue, was schafft Einstein und was schaffe ich, dass wir ein Trainingsziel haben und ich individuell und situativ (re)agiere.
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Re: Impulskontrolle ist endlich. Wirklich?

Beitrag von jojojojobounty »

Annitante hat geschrieben:
Sa Dez 25, 2021 12:48 pm
Ich kann für mich nicht sagen, dass es mein Training ändert. Ich versuche das Training kleinschrittig zu gestalten und versuche die Schwierigkeiten für Einstein machbar zu wählen. Wenn Einstein erschöpft wirkt, ist der allerspäteste Zeitpunkt aufzuhören (besser früher). Ob er erschöpft ist, weil die Impulskontrolle auf ist oder weil er schlicht müde ist, ist für mich nachrangig.

Ruhe- und Entspannungsübungen sind auch Training. Auch das muss ich geduldig aufbauen. Wenn wir also Hundebegegnungen trainieren und ich das Gefühl habe, jetzt ist es genug, würde ich nicht ins Entspannungstraining wechseln. Da kann ich höchstens auf den bisherigen Trainingsstand zurückgreifen und ich muss mir sicher sein, dass er entspannen kann. Ansonsten finde ich, kann/soll ein Training beendet werden. Ich kann für Einstein sagen, dass ich nicht finde, dass Training besser wird, wenn wir durchhalten oder uns durchkämpfen. Unser Training mit dem Leinen Date ist ein gutes Beispiel dafür. Fortschritte macht er nur, wenn er die Situation noch bewältigen und verarbeiten kann. Ich habe aber auch schon beim Leinen Date erlebt, dass er nach 10 Minuten besser zurecht kam, allerdings nur, wenn die Bedingungen für ihn schwer aber machbar waren.
Das ich von einem Training mit Leinenaggression und Hundebegegnungen nicht in ein Entspannungstraining wechsle, meine ich auch gar nicht. Falls das so klang.

Ich würde meine Gedanken hierzu auch noch einmal präzisieren wollen:

Vielmehr finde ich, dass Entspannungstraining noch einmal eine ganz andere Bedeutung bekommt. Und zwar aus 2 Gründen.
Zum einen kann ich die Intensität von anderen Training steigern, wenn mein Hund gelernt hat, schnell runter zu kommen. Wenn er Ruheinseln hat und die annehmen kann, kann ich ihn nämlich zwischendurch erden und dann fortfahren. Das gilt auch für Situationen, die einfach nicht kontrollierbar sind. Es schickt ja nun nicht immer der Rütter die ruhigen Hunde mit 20 Metern Abstand an mir vorbei. Regelmäßig treffe ich auch auf unruhige, massiv imponierende oder gar aggressive entgegenkommende Vierbeiner. Wenn mein Hund das aber noch nicht händeln kann, dann muss ich nach einer solchen Situation also nicht mehr zwingend einpacken, heimgehen, nur noch einsame Wege für den Rest des Tages aufsuchen. Ich kann am Erregungslevel meines Hundes etwas tun und im folgenden Spaziergang noch weitere Begegnungen üben. Natürlich muss ich nicht 30 Hunden begegnen und meinen Hund erschöpfen. Aber ich muss auch nicht mehr den Kopf hängen lassen, weil eine doofe Situation die gesamte Impulskontrolle meines Vierbeiners aufgesaugt hat.

Zum zweiten, verpulvere ich nicht die Impulskontrolle meines Hundes durch Ruhe- und Entspannungstraining. Und kann somit viel mehr Baustellen gleichzeitig bearbeiten oder kann eine Ruheeinheit einlegen, die wieder Kapazitäten für das ursprüngliche Training schafft. Wir persönlich hatten definitiv schon das ein oder andere Mal auf Training verzichtet, weil wir nicht die Impulskontrolle aufbrauchen wollten. Wir haben auch schon selbst Expertentipps bekommen, wie: lass Emil nicht vor der Schüssel mit Futter warten. Das zapft nur von seiner begrenzten Kontrolle der Impulse, o.ä.

Wir haben auch oft auf Leinenführigkeit verzichtet, weil wir seine Impulskontrolle nicht verbraten wollten. So ein quark denke ich jetzt.
Mal davon angesehen, dass wir seit kurzem unabhängig von dieser neuen Erkenntnis anders trainieren und keine Nachteile sehen. Aber daraus wollte ich zwecks mangelnder Erfahrung bisher noch keine Beispiele zu Rate ziehen.

Annitante hat geschrieben:
Sa Dez 25, 2021 12:48 pm
Johanna, bei dem was du beschreibst, kommt mir ein anderer Beitrag von dir in den Sinn. Ich hoffe, es ist ok, wenn ich dich hier zitiere.
jojojojobounty hat geschrieben:
Di Okt 19, 2021 3:13 pm
Hat der Hund in einer bestimmten Situation ein Problem mit der Impulskontrolle wird es in diesem konkreten Moment, wo diese aufgebraucht ist, immer schlimmer werden. Von Minute zu Minute wird es der Hund schwerer aushalten können und auch am selben Tag, wenn die Impulskontrolle aufgebraucht ist, wird es keinerlei Fortschritt oder Verbesserung geben.
Bsp. ein s e x u e l l oder jagdlich motivierter Hund, der mit einem solchen Reiz konfrontiert wird, wird es bspw. eine halbe Stunde aushalten, sich zurückzunehmen, aber dann ist dieses Impulskontrolle-Kontingent leer und dann wird er schnüffeln, zerren, kreischen, .. und es wird keine Besserung mehr eintreten und sich nur noch weiter und weiter hochschaukeln.

[...]

Über einen solchen Test: was passiert im laufe der Zeit sind wir bspw. dem Problem von Emil draußen näher gekommen und konnten klarer definieren, was ihn für sein „schwieriges“ Verhalten draußen aktuell motiviert.
Ich finde deine Beobachtungen interessant. Kannst du das nochmal zu deinem anderen Beitrag erklären? Oder meinst du, dass man so noch einwirken kann?
Dieses Zitat hatte ich inhaltlich auch quasi im Kopf als ich in vorherigen Beiträgen meine Antwort formulierte :)

Ich weiß aber nicht ganz genau was du mit deiner Frage meinst, kannst du die nochmal kurz erklären?

Meine Aussage im Zitat aus dem anderen Artikel würde ich natürlich aufgrund des Wissens aus dem Artikel dieses Threads revidieren.
Hier im Thread hatte ich die Sache der Impulskontrolle im Bezug auf jagdliche Trigger daher auch schon durch eine Erklärung mit Hormonellen Zuständen im Körper des Hundes “ersetzt”.
Ich denke mittlerweile aber, dass auch das nicht ganz richtig ist. Klar sind Hormone auch eine Art Umgebungsvariable, die sich als Voraussetzung für erfolgreiches Training noch schwerer kontrollieren lassen. Aber ich denke man kann das nicht so absolut sehen und auch damit kann ein Hund lernen umzugehen. Wie sonst sollten denn Jagdhunde sonst auch je sinnvoll arbeiten können?
Annitante hat geschrieben:
Sa Dez 25, 2021 12:48 pm

Das sehe ich ähnlich. Bei mir läuft das eher unter Trainingsumgebung oder -niveau. Ich muss sagen, dass ich mir da wenig Gedanken um den theoretischen Hintergrund mache, als dass ich schaue, was schafft Einstein und was schaffe ich, dass wir ein Trainingsziel haben und ich individuell und situativ (re)agiere.
Ja, ich mag das mit der Theorie. Mir sind so viele Erklärungen, so viele Tipps und Hinweise nicht Hand und Fuß genug ohne manche theoretische Hintergründe. Oft habe ich das Gefühl, ich kann etwas nicht verstehen, wenn ich die Grundlage dazu nicht verstehen. Ohne Grundlage kann ich es nur lernen und zwar auswendig. Mit auswendig gelerntem als Basis kann ich nur schwer Wissen in neue Situationen übertragen.
Das erinnert mich an Chemie in der Schule … man kann es lernen oder verstehen. Lernen fand ich immer doof 🤪

Aber da muss ja auch nicht jeder mitgehen. Ich mag die Diskussion hier dazu aber sehr und nehme damit echt viel mit :)
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Re: Impulskontrolle ist endlich. Wirklich?

Beitrag von Annitante »

jojojojobounty hat geschrieben:
Sa Dez 25, 2021 11:43 pm
Ich weiß aber nicht ganz genau was du mit deiner Frage meinst, kannst du die nochmal kurz erklären?
Ich fand deine beiden Aussagen konträr und wollte fragen, (1) ob mein Eindruck stimmt und (2) ob du sagst, dass man weitertrainieren kann, wenn die Voraussetzungen und Umgebungsbedingungen sinnvoll angepasst werden.
jojojojobounty hat geschrieben:
Sa Dez 25, 2021 11:43 pm
Wir haben auch schon selbst Expertentipps bekommen, wie: lass Emil nicht vor der Schüssel mit Futter warten. Das zapft nur von seiner begrenzten Kontrolle der Impulse, o.ä.
Verrückter Zufall. Ich hab die Tage noch bei FB in einer Gruppe einen Kommentar gelesen, der genau in die Richtung ging. Jemand hatte ein Foto von zwei Hunden gepostet, die vor ihrem Keks lagen und eine Person schrieb, dass als erstes sowas unterlassen werden sollte, damit mehr Impulskontrolle übrig bleibe. Ich saß kopfschüttelnd vorm Bildschirm. Ob etwas Impulskontrolle beansprucht oder nicht, sollte man sich mE individuell ansehen.

Wo auf der anderen Seite bei energetischen Hunden schon auch empfohlen wird, dass man auf gewisse Abläufe/Struktur (ua das Durchstürmen durch Türen oder eben eine große Aufregung beim Füttern) achten sollte. Es kann also durchaus sinnvoll sein, dass man auf eine gewisse Ruhe am Futternapf besteht. Ich hatte jedenfalls nie den Eindruck, dass Hundebegegnungen besonders anstrengend waren, weil Einstein im Kofferraum auf die Freigabe warten musste.

Verhalten ist systematisch. Ich kann also sehr gut an Sache A arbeiten und Effekte in Sache B feststellen. Aber ich tue mich extrem schwer damit, wenn Dinge pauschal in Relation gesetzt werden. Sicherlich wiederholen sich Erfahrungswerte (was keinesfalls zu verachten ist), aber Schablone ist nicht so meins. Mir hatte sehr gut am Hundekongress gefallen, wie diskutiert wurde, dass bei Vehalten schlicht extrem viele Variablen zu beachten sind.

Und da finde ich kommt jedes Trainingskonzept an seine Grenzen, wenn das individuelle Mensch-Hunde-Team nicht angesehen wird, sondern immer nach Schema X agiert wird. So gesehen, wenn das Studienergebnis Einzug ins Hundetraining hat, finde ich das wertvoll.
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