Familienhund - Unwort des Jahres?

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Moderator: Judith

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Cindy
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Familienhund - Unwort des Jahres?

Beitrag von Cindy »

Hi zusammen,

während wir beim letzten Obi-Training noch so zusammen im Vereinsheim saßen und redeten meinte einer aus unserer Trainingsgruppe auf einmal: "ürbigens, ich bin dafür, dass das Wort 'Familienhund' zum Unwort des Jahres gewählt wird!".

Begründung: überall liest man nur noch "idealer Familienhund". In neueren Rassebeschreibungen bsp. im Internet taucht bei fast allen Rassen irgendwo das Wort "idealer Familienhund" auf, in Kleinanzeigen - egal welche Rasse = "idealer Familienhund": seien es PRT/JRT, Australian Shepherds, Weimaraner ....... , selbst in Foren - fragt einer nach einem Hund für eine Familie - da wird munter und lustig nahezu jede Rasse vorgeschlagen.
Seltene Ausnahmen sind HSHs, dann vielleicht noch Gebrauchshunde wie Malinois und Co, aber das war's dann auch schon.

Und mit diesem "idealer Familienhund" wird gleichzeitig suggeriert, dass diese Hunde ja so einfach, leicht erziehbar, problemlos für Anfänger, kinderlieb, völlig aggressionsfrei, ........... sind. Selbstverständlich sind das alles auch genetisch fixierte Rasseeigenschaften.

Wenn ich mir da meine drei Pudeldamen so ansehe - die sind alle drei "Familienhunde" - sie leben mit in unserer Familie. Also - Familienhund.

Trotzdem: sie sind alle drei nicht unbedingt einfach, auch nicht unbedingt problemlose Anfängerhunde (Yanta's Unsicherheit, Nele's überschäumendes Temperament gepaart mit ner gewissen Portion Schutztrieb, Klein Wusch's Wesen und Charakter - zum Glück ist sie ein kleiner Hund, ihr Wesen in einem grossen Hund mit dem Bewusstsein für seine Grösse und Kraft :fechten: ), kinderlieb *uuuhhhhhhh* also kommt darauf an, was man darunter versteht, von "völlig aggressionsfrei" schon mal gar nicht zu reden - wobei sich mir sowieso die Frage stellt was das denn nun schon wieder heissen soll. Es gibt kein Hund, der "völlig aggressionsfrei" ist - höchstens Hunde mit höherer und niedrigerer Reizschwelle.

Und wenn ich mir die ganzen Hunde der als "Familienhund" bezeichneten Rassen so ansehe, die mir in den letzten 10 Jahren als Trainer über den Weg gelaufen sind ..... nun ja - stellt sich mir wieder die Frage ... was ist ein "Familienhund"?

Klar - in jeder Rasse gibt es Individuen, die in ihrer Familie "ideale Familienhunde" sind. Die Frage ist, was hat sie dazu gemacht?
Genetik? Haltung und Erziehung? Das Zusammenspiel Hund-Halter?

Bsp. Klein Wusch - je nach Halter hätte sich dieser kleine Wonneproppen zu einem ausgewachsenen Tyrannen entwickeln können. Sie zeigt ja jetzt auch schon Ansätze dazu. Die Tatsache, dass sie sich in unsere "Grossfamilie" ideal einfügt bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass sie in einer anderen Familie auch so problemlos integriert wäre.
Andererseits kenne ich selbst Golden Retriever, die alles andere als "ideal" für ihre Familie sind - dazu sind zu viele Fehler in Erziehung und Haltung gemacht worden.
Ich kenne Rottweiler, die in ihrer Familie die reinsten Schmusehunde sind, und Labbis, die für ihre Familie der reinste Alptraum sind.

Also ist doch wohl weniger die Genetik (und damit die Rasse) als vielmehr Haltung, Erziehung und die Hund-Halterkonstellation ausschlaggebend, ob ein Hund nun ein "guter,idealer Familienhund" wird oder nicht. Oder wie seht ihr das?
Viele Grüße
Cindy


"Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was Du dir vertraut gemacht hast!" (Le petit prince, Antoine de Saint-Exupéry)

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Resi
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Re: Familienhund - Unwort des Jahres?

Beitrag von Resi »

Du sprichst mir aus der Seele!

Es gibt weder DEN Familienhund noch DEN geeigneten Ersthund. Innerhalb einer Rasse findet man sicher immer wieder Inividuen die sich besser dafür eignen als andere genauso wie es Menschen gibt die besser niemals einen Hund haben sollten und welche die auch mit einem HSH als Ersthund super klarkommen.

Wie immer im Leben muss das Team stimmen...
Pudelverrücktsein ist schön- es kann eben nur nicht jeder...

Dagmar
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Re: Familienhund - Unwort des Jahres?

Beitrag von Dagmar »

Hallo,
ich kann dir nur beipflichten, es gibt keine Rasse, die grundsätzlich als "Familienhund" beworben werden darf. Kalle ist der perfekte Familienhund, wobei ich Sam sicher nicht so nennen würde. Er hat es nicht so mit kleinen Kindern und fremden frechen Rüden, beide haben einen Schutztrieb. Wobei ich diese Eigenschaften nicht als schlimm oder schlecht bezeichnen würde, aber sie sind halt je nach Halter mit gewissen Schwierigkeiten verbunden. Doch das ist den meisten Hundekäufern nicht bewußt und so landet der "Familienhund" bald in zweite Hände oder TH.
LG
Dagmar

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simafy
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Re: Familienhund - Unwort des Jahres?

Beitrag von simafy »

Nein, ich persönlich denke auch nicht, dass es DEN Familienhund gibt.

Rassen wie Kuvasz, Owtscharka,Komondor und ähnliche HSH sollten meiner Meinung nach nicht in Ersthundbesitzerhände gegeben werden....
Diese Hunde sind sicherlich tolle Familienhunde ...jedoch nur dann, wenn der Halter sich mit dem Wesen und der Veranlagung dieser Hunde auseinandergesetzt hat und sie dementsprechend geführt werden.
Dazu sind leiderviele Ersthundbesitzer nicht bereit...frei nach dem Motto...ist ja nur ein Hund, was soll da schon schiefgehen?
Die Abgabe solcher Rassen in die Hände von hundeunerfahrenen Menschen mit einer derartigen Einstellung ist meiner Meinung nach grob fahrlässig.
Wir hatten mal für zwei Tage eine gänzlich unerzogene Kangalhündin im pubertierendem Alter hier...ohne Scheiß...dieser Hund hat mir Angst gemacht.
Wäre sie in ihrem ersten Lebensjahr vernünftig geführt worden, wäre das ein ganz anderer HUnd gewesen.
Cindy hat geschrieben:Und mit diesem "idealer Familienhund" wird gleichzeitig suggeriert, dass diese Hunde ja so einfach, leicht erziehbar, problemlos für Anfänger, kinderlieb, völlig aggressionsfrei,
Solchen Menschen hätte ich gerne mal unseren Connor vorgestellt. :evil:
Wie auch die Hundis von Cindy , war er ganz und gar anders als der "typische GP"(ob dieses schon von Anfang an medizinisch begründet war, weiss ich allerdings nicht)
Ich bin mir 1000%ig sicher, dass Connor in einer hundeunerfahrenen Familie schon in seinem ersten Lebensjahr entsorgt worden wäre.
Die hätte er nämlich niedergemacht.

Ich denke, es spielt viel zusammen.
Einerseits die charakterliche Veranlagung des einzelnen Hundes(nicht der gesamten Rasse) und zweitens die Art, wie der Halter den Hund führt und erzieht.

LG
Silke
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chrissz

Re: Familienhund - Unwort des Jahres?

Beitrag von chrissz »

Völlig richtig.

In dem Zusammenhang klingt der Stempel "Familienhund" wie eine Sache.

Das es ein Hund ist, der individuelle Charktermerkmale an den Tag legt, keinen Ausschalter hat und vom Umtauschsrecht ausgeschlossen sein sollte, daran wird vorbei suggeriert.

Aber blöde Menschen gabs schon immer und wirds immer geben. Und dummerweise dazu noch gewiefte, die daraus Kapital zu schlagen wissen.

Gilt auch für die Ausbildung / Schulung, falls es dann mit dem "Familienhund" doch nicht so einfach klappt wie auf dem Beipackzettel angegeben.

Da wird dann erneut mit Schlagwörtern/ schwer verständlichen Theorien um sich geworfen und der eh schon verunsicherte, neue Hundehalter nochmals mit Blödsinn bedient, wenn er/sie nicht höllisch aufpasst und ein gutes Bauchgefühl und einige Kenntnisse hat.

Darf man gar nich drüber nachdenken, aber das ist Marktwirtschaft.

Liebe Grüße,
Chris

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